Lohnt sich Mont Saint-Michel?

Lohnt sich Mont Saint-Michel?

Gastbeitrag von Navid Linnemann

Es gibt Orte, die man im Leben einfach einmal gesehen haben muss – ob Mont Saint-Michel in der Normandie dazu gehört, wollten wir in diesem Jahr herausfinden. Hier folgt unser ganz persönlicher Reisebericht zu einer der meist besuchten Sehenswürdigkeiten Frankreichs – Mont Saint-Michel.

Die Fahrt nach Mont Saint-Michel bietet schon einen kleinen Vorgeschmack: Von der Autobahn abgefahren werden die Straßen schmaler und die Landschaft weiter. Zwischen Bauernhöfen und Feldern entdeckt man irgendwann in der Ferne plötzlich einen spitzen Fels mit einer märchenhaften Silhouette. Weit kann es nicht mehr sein bis zu der Felseninsel im flachen Wattenmeer, die selbst ohne Gebäude 92 Meter in den Himmel ragen würde.

Ankunft am Parkplatz – das Abenteuer beginnt

Direkt vor den Toren des Weltkulturerbes kann man nicht parken. Wo auch? Dass es Mont Saint-Michel insbesondere an Platz mangelt merken Besucher recht schnell. Wer den Weg zur Felseninsel im französischen Wattenmeer also nicht mit dem Rad angetreten ist, der parkt sein Auto außerhalb auf einem riesigen – und mit 25 Euro Tagestarif – auch sehr teurem Parkplatz. Gut, das ist der Preis für die Hauptsaison Juli und August, Neben- und Nicht-Saison schlagen mit 21 bzw. 17 euro zu buche.

Wer nur 30 Minuten oder etwa drei Stunden bleibt, muss – je nach Saison – 8, 10 oder 12 Euro zahlen. Immer noch verdammt teuer. Erklärt aber vielleicht, warum die Tourismus-Seiten überall mit dem „Gratis Shuttlebus“ werben, der alle par Minuten von den 4.000 Parkplätzen zur Insel fahren. Es ist wie bei den Druckern heute: Die Geräte, sprich den Bus gibt es geschenkt, doch für die Tintenpatronen und das Parken bezahlt man sich dumm und dämlich. Besonders unfair, wenn man zu Fuß die rund 2,5 Kilometer lange Strecke durch das Watt in Richtung Mont Saint-Michel antritt.

Die aber lohnt sich zumindest, da man hierbei – gutes Wetter vorausgesetzt – diese ikonischen Fotos der Insel schießen kann. Wer doch auf den Shuttlebus „Le Passeur“ setzt, kommt in rund zehn Minuten an und spart sich womöglich etwas Energie für das Treppensteigen im Inneren der Mauern von Mont Saint-Michel. Auch wenn die Busse häufig fahren, ist der Andrang im Sommer so hoch, dass man eventuell nicht auf den zweiten, oder dritten, sondern eher auf den fünften und sechsten Bus warten muss. Die zeitliche Ersparnis gegenüber dem Fußmarsch minimiert sich folglich.

Das erste Mal vor dem Tor

Egal für welche Variante man sich entscheidet: Der Moment, in dem man vor dem imposanten Torbogen steht, ist magisch. Die steilen Mauern ragen hoch auf, Möwen kreischen über den Köpfen, und man hat das Gefühl, gleich von einem Ritter mit „Haltet ein, wer da?“ begrüßt zu werden. Das etwas ganz ähnliches noch passieren würde, hätten wir zu Beginn nicht gedacht – doch davon später mehr.

Statt mittelalterlichem Flair wird auf Mont Saint-Michel ausschließlich von Touristen begrüßt. 2,3 Millionen sind es jährlich, die das UNESCO-Weltkulturerbe besuchen. Diese drängen sich einzeln, paarweise oder gleich als ganze Reisegruppen mit Kameras bewaffnet an einem vorbei – willkommen im 21. Jahrhundert. Wer vor dem Aufstieg zum Kloster noch ein allzu weltliches Bedürfnis verspürt, hat direkt hinter dem Tor übrigens die beste Gelegenheit dazu. Hier lässt sich in historischen Gemäuern austreten.

Und dann beginnt das wahre Abenteuer: Kopfsteinpflastergassen, unzählige Läden mit Souvenirs, die berühmte Omelette-Brasserie La Mère Poulard (legendär, aber nicht billig), und die endlosen Treppen hinauf zur Abtei, von wo aus man die vielleicht schönste Aussicht Frankreichs hat – War Spaß: die hat man vom Eiffelturm in Paris.

Da war doch was mit Mittelalter

An dieser Stelle vielleicht ein historischer Einschub: Mont Saint-Michel wurde ab dem 10. Jahrhundert ausgebaut. Zuvor hieß die Insel auch noch Mont-Tombe (Grabesberg), weil sie – ohne die ganzen Souvenier-Shops, wie ein Grab aussehen würde. Vielleicht auch ein Grund, warum sich Bischof Aubert von Avranche im Jahre 708 mehrfach weigerte, eine Kirche auf der Insel zu errichten.

Immer wieder war dem widerspenstigen – fast schon ketzerischen – Bischoff der Erzengel Michael erschienen, der ihm eben jenen Auftrag gab. Doch er tat einfach nicht, was des Engels – und damit Gottes – Wille war. Eine Zyste hinter der Stirn, von den Katholiken als brennender Daumen des Erzengels bezeichnet, lies den Bischoff dann immerhin einen Brunnen auf dem heutigen Nmont-Saint-Michel bauen – allerdings zu Ehren des heiligen Michael und nicht des Erzengels. Pech gehabt.

Zwei Jahrhunderte Später klappte es dann auch mit der Kirche und im Zuge des Mittelalters kamen immer weitere Gebäude hinzu. Die Kirche bekam ein sie umgebenes Kloster und so weiter und so fort. Spannend noch die Nutzung des Berges zur Zeit Napoleons. Die bewusst weniger christlichen Franzosen der Revolution nutzten das recht spirituell erdachte Gebäude als Gefängnis mit dem wohl schönsten Ausblick, den eine Haftanstalt haben kann. Neuer Name ab jetzt: Mont-Libre.

Hauptsache Kerker

Heute heißt der Berg zwar wieder Mont Saint-Michel, doch Gefängnisse muss es dort noch immer geben. Zumindest wurden diese als besuchbare Kerker angepriesen. Zwischen den überteuerten Cafés und den überlaufenden Souvenirshops fand sich in erstaunlicher Regelmäßigkeit ein Eingang zu einem angeblichen Museum, welches einen „authentischen“ Kerker aus dem Mittelalter zeigen sollte. Garniert mit einer Rüstung oder was die Betreiber eben so als mittelalterliche Deokration auftreiben konnten.

Wir haben den Schritt hinab ins Verderben genauso wenig gewagt, wie den Besuch der Abtei auf der Spitze des Berges. Bei den Kerkern lag es allerdings weder am Gedränge der Touristen noch am am hohen Eintrittspreis. Vielmehr hatten wir die begründete Sorge, dass im finsteren Verließ eine – dann wenigstens historische korrekte – Guillotine auf uns warten würde, anstelle einer mittelalterlichen Schreibstube.

Eine Frage hätten wir da noch...

Am Ende bleibt die Frage: Lohnt sich der Besuch von Mont Saint-Michel wirklich? Wir sagen: Nein! Das Geld und die Zeit kann man sich sparen – vor allem, da man sich zwischen zwei wunderschönen französischen Regionen – der Bretagne und der Normandie – befindet, die einen wahren Schatz an Aktivitäten und Sehenswürdigkeiten ereithalten.

Die Kulisse von Mont Saint-Michel ist einzigartig und der Anblick von weitem schlicht magisch – das stimmt. Aber diesen Anblick kann man entweder auf Fotos im Internet beutachten, oder aber, wenn man mit dem Fahrrad an der französischen Küste vorbei radelt und dann eben auch an Mont Saint-Michel vorbeikommt. Das muss reichen.

Wer jedoch das Tor hinein in die Hölle… Pardon: in die Gassen von Mont Saint-Michel wagt, um dort Ruhe, Ursprünglichkeit oder gar einem Hauch von Mittelalter zu finden, der wird enttäuscht sein. Der Berg ist schlicht ein überteuerter Touristenmagnet mit all den lästigen Begleiterscheinungen geworden.